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Herausgegeben von den Berufsverbänden für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland.

Behandlungsmöglichkeiten bei Multipler Sklerose (MS)

Eine ursächliche Therapie der Multiplen Sklerose ist derzeit nicht bekannt. Ziel der Behandlung beim Neurologen/Nervenarzt ist es daher, das Ausmaß der Entzündungs­reaktionen zu reduzieren, die funktionellen Einschränkungen zu stabilisieren sowie die Begleitsymptome zu bessern. In der Therapie der Multiplen Sklerose werden zwei „Therapiesäulen“ unterschieden. Zum einen die „Schubtherapie“ und zum anderen die vorbeugende „immunprophylaktische Therapie“.  Die Schubtherapie behandelt den akuten Schub. Durch die „immunprophylaktische Therapie“ wird sowohl die Anzahl als auch die Schwere von Schüben reduziert. Sie hat zum Ziel, eine mögliche spätere Behinderung zu verhindern bzw. zu verzögern. Aus diesem Grund wird die Therapie heutzutage auch möglichst früh begonnen.

Während eines akuten MS-Schubes wird in der Regel zur Entzündungs­hemmung hochdosiertes Cortison (in Form so genannter Corticosteroide wie Methyl­prednisolon) eingesetzt. Bei unzureichender Rückbildung der Beschwerden wird die Cortisonbehandlung in höherer Dosis wiederholt. Sollte auch dies zu keinem Erfolg führen wird eine Blutwäsche, die so genannte Plasmaseparation, durchgeführt.

Zur Vorbeugung von Schüben unterscheidet man verschiedene Therapiestufen. Unterschieden wird dabei zwischen der Therapie „milder/moderater“ oder  „(hoch)aktiver“ Verlaufsformen der MS, für die unterschiedliche Behandlungsmöglichkeiten in Frage kommen.

Basistherapie bei milder/moderater Verlaufsform

Bei einer milden/moderaten Verlaufsform werden so genannte Beta-Interferone oder Glatirameracetat eingesetzt. Diese immunmodulatorischen Medikamente hemmen schädigende und fördern aber z. T. auch schützende Prozesse des Immunsystems. Darüber hinaus sind seit 2013/14 die Substanzen Teriflunomid und Dimethylfumarat (DMF) als Behandlungsoption für MS-Patienten mit schubförmigem Verlauf zugelassen. Beide Substanzen haben vorwiegen entzündungshemmende Eigenschaften, wirken aber unterschiedlich. Das Immunsuppressivum Azathioprin kommt nur noch in absoluten Ausnahmefällen als Alternative zum Einsatz. In sehr seltenen und dann gut begründeten Ausnahmefällen (z. B. Schwangerschaft oder Stillzeit) können auch intravenöse Immunglobulinpräparate eingesetzt werden.

Eskalationstherapie bei (hoch)aktiver Verlaufsform

Bei Patienten mit einem (hoch)aktiven Verlauf (d. h. viele, schwerwiegende Schubereignisse in kurzer Zeit oder/und (hoch)aktives MRT) bzw. bei Patienten die nicht ausreichend auf die Basisimmuntherapeutika ansprechen, notwendig werden. Die Medikamente dieser Therapiestufe sind wirksamer als die Therapien für milde/moderate Verläufe, aber auch mit höheren Risiken verbunden.

Infrage kommt hier die monatliche Infusionstherapie mit dem monoklonalen Antikörper Natalizumab. Dieser verhindert - über Neutralisierung eines Integrinmoleküls - das Einwandern von Immunzellen (weiße Blutkörperchen) in die Entzündungsherde des ZNS (zentrales Nervensystem, bestehend aus Gehirn und Rückenmark). Seit 2011 ist mit Fingolimod ein weiteres Medikament als Eskalationstherapie zugelassen. Durch die Blockade eines bestimmten Rezeptors auf Immunzellen, dem Sphingosin-1-Phosphat (S1P)-Rezeptor, werden die Immunzellen in den Lymphknoten zurückgehalten und damit ebenfalls an der Einwanderung ins ZNS gehindert. Fingolimod wird einmal täglich als Kapsel oral eingenommen.

Seit 2013 ist der Wirkstoff Alemtuzumab zur Therapie der schubförmigen Muliplen Sklerose bei erwachsenen Patienten zugelassen. Dabei handelt es sich um einen monoklonalen Antikörper, dessen Wirkung in einer nachhaltigen Elimination von T- und B-Zellanteilen (Immunzellen) im Immunsystem führt. Es wird hier nur 1 Infusionszyklus pro Jahr durchgeführt, und das zunächst nur 2x insgesamt.

Selten und nur alternativ kommen auch Immunsuppressiva in Frage, wie sie bei einer Krebserkrankung (z. B. Mitoxantron oder Cyclophosphamid) eingesetzt werden. Dabei sind häufige Blutbildkontrollen wichtig, da diese Substanzen in Herstellung und Reifung des Blutzellsystems eingreifen.

Zur Verhinderung des weiteren Voranschreitens einer sekundär progredienten Multiplen Sklerose kommt die Gabe von Mitoxantron infrage. Bei weiter bestehenden Schüben werden auch Beta-Interferone eingesetzt. Alternativ (manchmal auch additiv) bewirken rekurrierende Cortisonpulstherapien auch häufig zwischenzeitliche symptomatische Verbesserungen.

Für die primär-progrediente Verlaufsform stehen heutzutage leider noch keine in jedem Fall gut wirksamen Therapien zur Verfügung.

Bei der Behandlung der Neuromyelitis optica (NMO) nimmt der Wirkstoff Rituximab, neben den älteren Therapeutika Azathioprin und Mitoxantron einen zunehmenden Stellenwert bei der Therapie ein.

Fachliche Unterstützung: Prof. Dr. med Heinz Wiendl (DGN)